Bestätigungsfehler: Warum wir uns selbst so oft in die Irre führen (1 von 3)


Teil 1: Kognitive Verzerrungen und ihre Konsequenzen

Stell Dir vor, Du lernst im Bewerberinterview für eine ausgeschrieben Stelle eine Kandidatin kennen, die auf den ersten Blick perfekt passt.  Es scheint, dass Du auf dem besten Weg bist, die Stelle gleich zu besetzen. Doch im Verlauf des Gesprächs findest Du nur noch Merkmale, die Deinen ersten Eindruck bestätigen. Du beobachtest an Dir selbst, dass Deine Fragen eher nach Bestätigung Deines ersten Eindrucks suchen. Beim vorherigen Bewerber hast Du Dich neutraler und ergebnisoffener verhalten…..

Hier ist Vorsicht gefragt:, denn es  versteckt sich möglicherweise eine Denkfalle – der Confirmation Bias, im deutschen auch als kognitive Verzerrung beschrieben. Das sind systematische Verzerrungen oder Voreingenommenheiten, die die Wahrnehmung, das Urteilen oder das Entscheidungsverhalten eines Menschen beeinflussen. Oft entstehen daraus fehlerhafte oder zumindest irrationale Entscheidungen.[1] In diesem Artikel erfährst Du, wie es zu kognitiven Verzerrungen kommt und wie Du diese im Alltag erkennen kannst. 

Was sind die Grundlagen für den Confirmation Bias?

Unser Gehirn möchte möglichst effizient arbeiten. Um Ressourcen zu sparen, nutzt es Muster, die durch eigene Erfahrungen oder Erzählungen von anderen modelliert werden. Das Gehirn filtert dabei wesentliche Merkmale aus der Umgebung und vergleicht diese mit bereits Erlebtem und Gespeichertem.
Der bekannte Psychologe Daniel Kahnemann spricht in diesem Zusammenhang davon, dass menschliche Denk- und Entscheidungsprozesse grundsätzlich in zwei verschiedenen Systemen ablaufen: Dem schnellen System 1 und dem rationalen System 2.
System 1 (das Unbewusste) agiert intuitiv, instinktiv, schnell und ohne willentliche Steuerung. Du kannst dir das System 1 als eine Art Autopilot vorstellen, der Dich durch eine sehr komplexe Umwelt führt. Dabei greift das System auf gespeicherte Erfahrungen zurück. Dieses System ist für mehr als 90 % unserer Denk- und Wahrnehmungsprozesse verantwortlich.
Dadurch können wir z. B. schnell reagieren, wenn vor uns eine Person auf die Straße läuft und wir in Sekundenbruchteilen bremsen müssen. Gleiches gilt, um schnell zu erkennen, ob eine Person freundlich oder unfreundlich gegenüber uns eingestellt ist.
Das System 1 ist ein Überbleibsel aus der Evolution, das uns früher geholfen hat, schnelle Entscheidungen zu treffen und Risiken zu vermeiden. Heute jedoch leben wir in einer Welt, die komplexer ist und differenzierte Überlegungen erfordert.

Das zweite System (das Bewusste) pflegt langsames und logisches Denken. Es kommt zum Einsatz, wenn wir Kopfrechnen, unsere Aufmerksamkeit auf unser aktuelles Gespräch fokussieren oder eine Person in einer größeren Menschenmenge suchen. Diese Denkprozesse sind für unser Gehirn weitaus anstrengender. Aus Effizienzgründen nutzt es lieber System 1.[2]

Wie kommt es zum Confirmation Bias?

Durch die erfahrungsbasierte Wahrnehmung und Interpretation von Situationen in unserer Umwelt sind wir abhängig davon, wie unsere Erfahrungen modelliert worden sind. Sobald wir nur ein Wort lesen oder ein Bild sehen, schießen uns sofort Assoziationen durch den Kopf.
Probier es doch mal aus:

Bild Frankreich Flagge
Bild Frankreich Flagge

 

Na, hast Du auch an Croissants, Meer und den Eiffelturm gedacht? Oder eher an etwas ganz Anderes? Erfahrungen & daraus entstehende Interpretationen sind so individuell wie wir Menschen selbst.

Gemäß dieser Erfahrungen werden unsere unbewussten Denkprozesse modelliert und daraus entsteht Verhalten.
Der Confirmation Bias, oder auch Bestätigungsfehler, entsteht also, wenn wir uns vorschnell auf unsere Erfahrungen verlassen und ein Urteil treffen, das sich im Nachhinein als falsch herausstellt.

Laut Studien treffen wir etwa 35.000 Entscheidungen täglich.[3] Dazu gehören

     

      • Verhaltensentscheidungen – z. B. Aufstehen, Duschen, Zähne putzen

      • Auswahlentscheidungen – Welche Kleidung ziehen wir an?, Was wollen wir frühstücken?

      • Reaktionen auf Verhalten (bewusst oder unbewusst) – z. B. Reaktionen auf Störungen oder Fragen, während wir im Großraumbüro gerade an einer Sache arbeiten

      • Entscheidungen als Folge eines analytischen Denkprozesses – Soll ich mich für diesen Job bewerben?

    Bei all diesen Entscheidungen profitieren wir von Erfahrungen. Sind diese Erfahrungen einseitig oder sogar falsch, kann eine falsche Entscheidung die Folge sein.

    Warum wir anfällig für den Confirmation Bias sind

    Unser Gehirn strebt nach Konsistenz. Widersprüchliche Informationen verursachen kognitive Dissonanz, ein unangenehmes Gefühl, das wir instinktiv vermeiden wollen. Es ist einfacher, neue Daten so zu interpretieren, dass sie zu unseren Überzeugungen passen, als sich einzugestehen, dass wir vielleicht falsch liegen. In der Praxis kann das bedeuten, dass wir lieber einen Bericht lesen, der unsere Meinung unterstützt, oder uns mit Menschen umgeben, die unsere Ansichten teilen.

    Alltagsbeispiele aus der HR-Perspektive

    Im Recruiting-Prozess kann der Confirmation Bias in vielfältiger Weise auftreten. Du führst ein Vorstellungsgespräch mit einem Kandidaten, der auf den ersten Blick perfekt zu passen scheint. Der Abschluss an genau der Universität, von der Du neulich einen positiven Artikel gelesen hast, ein gepflegtes, attraktives Äußeres & er drückt sich sehr gekonnt aus. Dein erster positiver Eindruck beeinflusst unbewusst Deine weiteren Fragen und Interpretationen. Du konzentrierst Dich auf die Antworten, die Deine Meinung bestätigen, und ignorierst vielleicht Anzeichen, die Zweifel hervorrufen könnten. Dieses Verhalten verstärkt sich, wenn Du unter Zeitdruck stehst oder eine schnelle Entscheidung treffen musst.

    Ein weiteres Beispiel ist die strategische Planung. Du hast eine Präferenz für einen bestimmten Lösungsansatz entwickelt und suchst nun gezielt nach Daten, die diese Wahl stützen. Kritische Stimmen und gegenteilige Daten werden als „unwichtig“ oder „irrelevant“ abgetan. Die Folge: Die Entscheidungsgrundlage ist verzerrt, und potenziell bessere Alternativen werden übersehen.

    Anzeichen dafür, dass Du dem Confirmation Bias unterliegst

       

        1. Schnelle Meinungsbildung: Du entscheidest Dich frühzeitig für eine Option, ohne alle Fakten zu prüfen.

        1. Selektive Datensuche: Du konzentrierst Dich auf Informationen, die Deine Meinung stützen, und ignorierst widersprüchliche Beweise.

        1. Ablehnung von Gegenargumenten: Du neigst dazu, gegenteilige Meinungen als Ausnahmen abzutun.

      Zusammenfassung und Ausblick

      Der Confirmation Bias kann unsere Entscheidungsqualität erheblich beeinträchtigen, indem er uns unbewusst dazu verleitet, Informationen so zu interpretieren, dass sie unsere bestehenden Überzeugungen bestätigen. Indem Du lernst, typische Anzeichen zu erkennen und Strategien zur Überwindung einzusetzen, kannst Du fundiertere und ausgewogenere Entscheidungen treffen. Im nächsten Artikel erfährst Du, wie Du durch Selbstführung aktiv gegen den Confirmation Bias vorgehen kannst.


      [1] Vgl. Nickerson, R. S. (1998). „Confirmation Bias: A Ubiquitous Phenomenon in Many Guises.“ Review of General Psychology, 2(2), 175-220.

      [2] Vgl. Kahneman, D., & Schmidt, T. (2012). Schnelles Denken, langsames Denken (7. Aufl.). München: Siedler.

      [3] Sahakian, B. J. & Labuzetta, J. N. (2013). Bad moves: how decision making goes wrong, and the ethics of smart drugs. London: Oxford University Press.

       

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